Aus dem Gazastreifen sind zahlreiche Raketen auf Israel abgefeuert worden. Zuvor hatte Israel Ziele im Gazastreifen angegriffen – und einen militanten Palästinenserführer getötet. Für Zivilisten war es eine Nacht der Angst.
Es war eine Nacht der Angst – auf beiden Seiten der Gaza-Grenze: Auf der israelischen Seite verbrachten die meisten Menschen die Nacht in Schutzräumen – aus Sorge vor den Raketen aus dem Gazastreifen. Dort, in dem palästinensischen Küstengebiet, hatten die Bewohner Angst vor den israelischen Angriffen.
Operation “Tagesanbruch”
Bereits am Nachmittag hatte die Armee die Operation mit dem Namen “Tagesanbruch” begonnen. Sie richtete sich gezielt gegen die palästinensische Extremisten-Organisation Islamischer Dschihad. Angegriffen wurden Einrichtungen und Personen, die der Gruppe zugerechnet werden. Die Hamas, die den Gazastreifen kontrolliert, sei nicht Ziel der Angriffe, machte der israelische Armeesprecher Ran Kochav deutlich. Er sagte:
Die aktuelle Operation richtet sich gegen den Islamischen Dschihad, nicht gegen den Gazastreifen oder andere Organisationen.
Der Fokus liege auf dem Dschihad, denn von ihm ging die Gefahr aus, dass israelische Ortschaften mit Panzerabwehrraketen beschossen werden. Weiter erklärte Kochav: “Wir werden diese Bedrohung entschieden, professionell und endgültig beseitigen.”
Raketen werden aus dem Gazastreifen abgefeuert.
Bild: dpa
Tote aufseiten des Islamischen Dschihads
Nach Armeeangaben wurden unter anderem Kämpfer des Islamischen Dschihads getötet, die unmittelbar vor einem Angriff standen. Ziel der israelischen Operation war auch die Führungsspitze der Gruppe. Bei einem gezielten Luftangriff kam ein ranghoher Kommandeur des Islamischen Dschihad ums Leben.
Die Organisation, die dem Iran nahe steht und unter anderem von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft wird, kündigte daraufhin Vergeltung an und feuerte die ganze Nacht über Raketen.
Betroffen war vor allem das israelische Grenzgebiet zum Gazastreifen. Aber auch in Vororten von Tel Aviv heulten vereinzelt die Luftschutzsirenen und waren Explosionen von Abfanggeschossen zu hören. Das israelische Kurzstrecken-Luftabwehrsystem Eiserne Kuppel fing einige Raketen ab – andere gingen nieder, ohne größeren Schaden anzurichten.
Mindestens zehn Tote im Gazastreifen
Einige Menschen verletzten sich leicht, als sie versuchten möglichst schnell in Schutzräume zu kommen. Aus dem Gazastreifen wurden bis zum Abend mindestens zehn Tote und mehr als 70 Verletzte durch die israelischen Luftangriffe gemeldet. Unter den Opfern ist auch ein fünf Jahre altes Mädchen.
Der UN-Sondergesandte für den Nahostkonflikt, Tor Wennesland, erklärte, es gebe keine Rechtfertigung für Angriffe gegen Zivilisten. Er rief die Konfliktparteien zum Ende der Kampfhandlungen auf. Israel reagierte mit der Militäroperation auf Drohungen des Islamischen Dschihad. Dieser hatte Angriffe angekündigt, nachdem die israelische Armee im Westjordanland ein ranghohes Mitglied der Gruppe festgenommen hatte. Israels Regierungschef Jair Lapid erklärte, Israel lasse nicht zu, dass eine Terrororganisation die Agenda vorgebe.
Die Operation in Gaza richtete sich gegen eine konkrete Bedrohung des Alltags im Süden des Landes.
Israel sei nicht an einer größeren Offensive interessiert, werde aber auch nicht davor zurückschrecken, erklärte Lapid.
Eskalation muss nicht im Krieg enden
Dass die aktuelle Eskalation in einen weiteren Gaza-Krieg mündet, ist nicht zwingend und wird davon abhängen, ob sich die Hamas an dem militärischen Schlagabtausch beteiligt. Im Herbst 2019 tötete Israel schon einmal gezielt einen Kommandeur des Islamischen Dschihad und dieser reagierte mit Raketenbeschuss. Die Hamas beteiligte sich nicht. Nach rund zwei Tagen endeten die Kämpfe. So könnte es auch dieses Mal sein. Noch lässt sich das aber nicht beurteilen.
Kämpfe zwischen Israel und Islamischem Dschihad dauern an
Tim Aßmann, ARD Tel Aviv, 6.8.2022 · 06:06 Uhr
Quelle: Tagesschau