15. Todestag Politkowskajas
Kreml fordert am Verjährungstag Aufklärung
2006 wird die regierungskritische Journalistin Anna Politkowskaja ermordet. Seitdem reißen die Vorwürfe nicht ab, dass Russland den Fall aus politischen Gründen nicht vollumfänglich aufklären will. So sind auch an ihrem 15. Todestag noch Fragen offen. Der Kreml beteuert seine Anstrengungen.
Genau 15 Jahre nach dem Mord an der kremlkritischen Journalistin Anna Politkowskaja dringt der Kreml auf eine Aufklärung des Falls. “Natürlich möchten wir alle, dass die Täter – sowohl diejenigen, die das Verbrechen angeordnet haben, als auch diejenigen, die es ausgeführt haben – identifiziert und bestraft werden”, sagte Sprecher Dmitri Peskow in Moskau der Agentur Interfax zufolge. Russland steht international in der Kritik, den Mord nicht umfassend aufgeklärt zu haben. Zudem ist nun die Verjährungsfrist für eine Verurteilung möglicher Hintermänner abgelaufen.
Auch die US-Regierung forderte am Jahrestag der Tat, die Hintermänner zur Rechenschaft zu ziehen. “Wir fordern erneut, dass diejenigen, die ihre Ermordung angeordnet haben, vor Gericht gestellt werden”, teilte Außenminister Antony Blinken auf Twitter mit. Politkowskaja sei wegen ihrer Arbeit getötet worden, “mit der sie Menschenrechtsverletzungen im Tschetschenien-Konflikt aufdeckte”.
Die Reporterin Politkowskaja war am 7. Oktober 2006 in ihrem Haus in Moskau erschossen worden. Sie wurde 48 Jahre alt. Die russische Justiz hatte nach dem Mord zwar Ermittlungen eingeleitet und schließlich fünf Männer aus der russischen Teilrepublik Tschetschenien im Nordkaukasus – unter ihnen einen Polizisten – angeklagt. Zwei von ihnen wurden im Mai 2014 wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt, die anderen wegen Komplizenschaft zu Freiheitsstrafen zwischen zwölf und 20 Jahren. Bis heute ist aber unklar, wer den Mord in Auftrag gegeben hat.
Politisches Motiv liegt nahe
Die Familie und Ex-Kollegen der Journalistin vermuten ein politisches Motiv. Die Journalistin hatte für die kremlkritische Zeitung “Nowaja Gaseta” gearbeitet. Politkowskaja war für ihre Berichterstattung und ihre Bücher mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden. Ihr Büro bei der “Nowaja Gaseta” wurde zu Ehren der ermordeten Reporterin unverändert gelassen.
Die Arbeit der Ermittler wolle er nicht kommentieren, sagte Peskow. “Jeder weiß, dass viele Verbrechen, insbesondere Auftragsdelikte, sehr schwer aufzuklären sind, und eine Aufklärung oft viele, viele Jahre dauert.” Die Anwältin der Familie, Anna Stawitzkaja, sagte, Politkowskajas Kinder und die “Nowaja Gaseta” sehen das Verbrechen erst dann als aufgeklärt, wenn der Auftraggeber ermittelt worden sei.
EU sieht unabhängige Medien unter Druck
Die EU rief Russland dazu auf, dafür zu sorgen, alle Verantwortlichen “in einem offenen und transparenten Gerichtsverfahren” zur Rechenschaft zu ziehen. Moskau müsse seinen nationalen und internationalen Verpflichtungen zum Schutz von Menschenrechten nachkommen. Das Gedenken falle in eine Zeit, “in der unabhängige Medien und die Zivilgesellschaft einem beispiellosen Druck der russischen Regierung ausgesetzt sind”, hieß es in einer Mitteilung.
“15 Jahre nach der Ermordung unserer Journalistin ist die Verjährungsfrist für dieses Verbrechen abgelaufen”, schrieb “Nowaja Gaseta” am Mittwoch, dem Vortag des Todestags. Nur ein Gericht könne die Verjährung nun aufheben. “Andernfalls werden die Drahtzieher ungestraft bleiben.” Das Blatt wirft den russischen Behörden vor, aus politischen Gründen kein Interesse an einer Aufklärung des Falls zu haben.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte Russland 2018 in diesem Fall schwere Verstöße gegen die Menschenrechte vorgeworfen. Das Gericht gab den Angehörigen der Journalistin recht, die Moskau mangelhafte Ermittlungen vorwarfen.
Quelle: NTV